Härtefallregelung bei Scheidung: Trennungsjahr nicht immer Pflicht!

Von Jana O.

Letzte Aktualisierung am: 15. November 2023

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

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Wollen Ehegatten sich in Deutschland scheiden lassen, so bedarf es regelmäßig der Ableistung eines Trennungsjahres. Dieses soll als Beweis für die Zerrüttung der Ehe dienen, da gemäß Zerrüttungsprinzip nur dann eine Scheidung möglich ist. Fehlt die Zustimmung des Antragsgegners kann die Scheidung mitunter erst nach drei Trennungsjahren auch gegen dessen Willen durchgeführt werden. Eine Abweichung von dieser Regelung ist bei einem vorliegenden Härtefall möglich.

Das Wichtigste in Kürze: Härtefallregelung bei Scheidung

Wann greift die Härtefallregelung bei einer Scheidung?

Ist die Weiterführung der Ehe aufgrund des Fehlverhaltens des Ehegattens unzumutbar, kann die Härtefallregelung bei Scheidung Anwendung finden.

Was besagt die Härtefallregelung?

In diesem Fall kann die Scheidung der gescheiterten Ehe bereits vor Ablauf des Trennungsjahres durchgeführt werden – auch gegen den Willen des Antragsgegners.

Wann ist eine besondere Härte gegeben?

Welche Gründe eine besondere Härte darstellen, ist nicht gesetzlich geregelt. Hier bedarf es stets der Betrachtung des Einzelfalls. Hier finden Sie einige Beispiele.

Härtefallregelung ermöglicht, die Scheidung vorzeitig durchzuführen

Allgemeine Voraussetzungen bei einer Härtefallscheidung

Die Härtefallregelung kann eine Scheidung z. B. bei Gewalt in der Ehe beschleunigen.
Die Härtefallregelung kann eine Scheidung z. B. bei Gewalt in der Ehe beschleunigen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht im Allgemeinen vor, dass die Ehescheidung frühestens dann möglich ist, wenn die Ehegatten bereits seit mindestens einem Jahr getrennt sind und die Ehe als gescheitert gelten kann. Doch in § 1565 Abs. 2 BGB ist eine Ausnahme hiervon benannt, die auch vor Ableistung des Trennungsjahres eine Scheidung ermöglicht:

„Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.“

Wann eine besondere Härte anzunehmen ist, erläutern wir im folgenden Abschnitt. Zunächst sollen aber die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Härtefallregelung bei Scheidung angeführt werden:

  1. Das Scheitern der Ehe ist vorausgesetzt.
  2. Die Ehegatten müssen räumlich getrennt voneinander leben.
  3. Die Begründung für den Härtefall muss in der Person eines der Ehegatten liegen.
Regelmäßig nicht vorausgesetzt wird bei der Härtefallregelung bei Scheidung hingegen, dass der Antragsgegner der Eheauflösung zustimmt.

Wann liegt ein Härtefall vor?

Wann im Falle der Scheidung die Härtefallregelung Anwendung findet, ist nicht eindeutig gesetzlich bestimmt. Die „besondere Härte“ muss sich hingegen aus dem vorliegenden Einzelfall ergeben. Es obliegt mithin letztlich den Gerichten, zu beurteilen, ob die Härtefallregelung bei vorliegender Scheidung anzuwenden ist. Im Folgenden einige Beispiele für Entscheidungen, in denen auf einen Härtefall erkannt wurde:

  • Gewalt in der Ehe (etwa auch vor den gemeinsamen Kindern)
  • schwerer Alkohol– und/oder Drogenmissbrauch aufseiten eines Ehegatten bei erfolglosen Entziehungskuren oder Weigerung, an entsprechenden Programmen teilzunehmen
  • schwere psychische oder sexuelle Erniedrigung bzw. Nötigung
  • Führen einer Scheinehe
  • Ehebruch mit daraus sich ergebender Schwangerschaft
  • schwere Erkrankung, die bei Eheschließung nicht bekannt war

Diese und weitere Vorgänge können die Anwendung der Härtefallregelung bei Scheidung begründen, müssen es aber nicht in jedem Fall. Die Einzelumstände sind vom Gericht jeweils genau zu prüfen. Insgesamt sind Härtefallscheidungen in Deutschland eher selten.

§ 1568 BGB: Härtefallregelung kann Scheidung auch verhindern

Keine Chance für die Scheidung: Eine andere Härtefallregelung kann die Eheauflösung verhindern.
Keine Chance für die Scheidung: Eine andere Härtefallregelung kann die Eheauflösung verhindern.

Es existiert im Scheidungsrecht eine weitere Härtefallregelung, die sich dem gegenteiligen Fall widmet: der Untersagung der Ehescheidung trotz erfüllter Voraussetzungen. Diese ist in § 1568 BGB beschrieben:

„Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.“

Die Auflösung einer gescheiterten Ehe kann unter diesen Voraussetzungen also auch abgelehnt werden. Allerdings müssen Richter eine entsprechende Prüfung diesbezüglich in der Regel erst vornehmen, wenn der Ehegatte, der die Scheidung ablehnt, hierauf hinweist (§ 127 Familienverfahrensgesetz – FamFG).

Über den Autor

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Jana O.

Jana hat an der Uni Greifswald Ger­manis­tik, Philosophie und Englische Literatur­wissenschaften studiert. Seit 2015 unterstützt sie das Redaktionsteam von scheidung.org. Ihre über die Jahre angeeignete Expertise nutzt sie seither, um komplizierte rechtliche Themen leicht verständlich aufzubereiten. Schwerpunkte ihrer Ratgeber sind Unterhalt, Eheverträge und Trennung.

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